Mittwoch, 19. Mai 2010

Utilitarismus

Wohlfahrtskonsequentialismus: Maximierung des Wohlergehens aller

Grundüberzeugung:
Worauf es ankommt ist das Niveau des Wohlergehens von Menschen (oder „sentient beings“). Die von den alternativen Ansätzen genannten Werte, also Gleichheit, Optimierung der Position der Schlechtestgestellten, moralischer Verdienst und auch Freiheit sind zweitrangig.

1. Zweck der Moral ist, die Welt besser zu machen.
Sozialreformen des frühen Utilitarismus (Benthams Einsatz für die Strafrechtsreform: Resozialisierung statt Retributionismus)

2. Der Moral geht es um gute Konsequenzen, nicht um gute Intentionen.

3. Wir sollen tun, was immer den größten Gewinn (i.e. intrinsischen Wert) für die Menschheit als Ganze hat.
Definition von „well-being“: was heißt gut? Spezifisch moderne Diskussion des Guten

Viele Dinge haben instrumentellen Wert, d.h. sie haben Wert als Mittel zur Realisierung anderer Werte.

Es muss Dinge geben, die nicht bloß instrumentell wertvoll, sondern die an und für sich wertvoll sind. Diese nennen wir intrinsische Werte. (Intrinsisch: etwas hat seinen Wert in sich selbst und wird nicht um eines anderen Zieles willen angestrebt.)

Was ist intrinsisch wertvoll? Vier Antworten von Utilitaristen:

a) Lust (pleasure) – Jeremy Bentham (1748-1832)
b) Glück (happiness) – John Stuart Mill (1806-1873)
c) Ideale (ideals) – G. E. Moore (1873-1958)
d) Präferenzen (preferences) – Kenneth Arrow (geb. 1921, Nobelpreis für Ökonomie 1972)

4. Der Traum des Utilitarismus: Wissenschaftliche Ethik
Jeder Handlung lässt sich ein exakt berechenbarer Wert zuordnen.

Beispiel: Einrichtung einer Tagesschule
Vorgehen: a. Wer ist betroffen? b. Wie ist die Person betroffen, gut oder schlecht?

Der utilitaristische Kalkül

Wie berechnen und bewerten Utilitaristen die Konsequenzen von Handlungen?

Einheiten von Konsequenzen können positiv und negativ sein. Sie sind danach definiert, was als intrinsich wertvoll gilt.

Für jede Handlung ist zu berechnen:

1. Wie viele Menschen von ihr betroffen sind, negativ und positiv.
2. Wie stark sie betroffen sind.
3. Entsprechende Berechnung für alle offen stehenden Alternativen
4. Die Handlung ist zu wählen, die insgesamt die größte Nutzenmenge erzielt (positive Konsequenzen abzüglich der negativen)

Probleme der Quantifizierung

- Lust und Präferenzerfüllung sind leichter zu messen als die Erfüllung von Idealen oder Glück. Kann alles quantifiziert werden?

- Sollen Präferenzen mit Blick auf andere berücksichtigt werden?

- Lässt sich der Nutzen aus unterschiedlichen Gütern vergleichen? Sind quantifizierbare Güter notwendig kommensurabel? John Stuart Mill: „Es ist besser, ein unzufriedener Mensch zu sein als ein zufriedenes Schwein.“

- Sind interpersonale Nutzenvergleiche möglich (und mit Blick auf unterschiedliche Güter?)

Probleme der Umsetzung der utilitaristischen Theorie

Um zu entscheiden, wie wir handeln sollen oder welche politische Massnahme wir umsetzen sollen, müssen alle Alternativen detailliert untersucht werden. Für jede Massnahme ist festzustellen,

- zu welcher Verteilung von Gütern sie führt

- Wer wie betroffen ist (wenn die Nutzenfunktionen der Individuen variieren)

- der Nutzen jeder betroffenen Person

Angesichts der nötigen Menge an Informationen ist dies ohne weitgehende Annahmen eine unmögliche Aufgabe. Je nach Annahmen differieren die Ergebnisse.

Kritik des Utilitarismus

- Verantwortung: Sind und inwiefern sind wir verantwortlich für das Handeln anderer?

- Integrität: Können wir richtig im utilitaristischen Sinne handeln und uns, unseren tiefsten Überzeugungen und wichtigsten Projekten treu sein?

- Intentionen: Sind und inwiefern sind Intentionen moralisch bedeutsam?

- „Moral Luck“: Ist es sinnvoll, den moralischen Wert von Handlungen an ihren Konsequenzen zu messen?

Utilitarismus und Gerechtigkeit
Deontologische Kritik am Utilitarismus:

- Nimmt die Getrenntheit von Personen nicht ernst: Was klug sein mag für Individuen kann ungerecht sein für Gesellschaften

- Die Position ist unvereinbar mit der Zuschreibung von moralischen Individualrechten. Denn diese beanspruchen richtig verstanden Geltung unabhängig davon, welche Konsequenzen ihre Beachtung für das Wohlbefinden anderer unter den jeweiligen Handlungsbedingungen hat. Gerechtigkeitsansprüche gründen sich auf moralischen Individualrechten. Deshalb kann der Utilitarismus Gerechtigkeitsansprüche in diesem Sinne nicht ausweisen (Bsp.: darf der Unschuldige bestraft werden, um mittels Abschreckung Verbrechen zu vermeiden? Totenbettversprechen)

- Distributive Gerechtigkeit/faire Verteilung der Grundgüter ist selbst intrinsisch wertvoll

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